Klavierunterricht für sehbehinderte und blinde Schüler*Innen

„Man sieht nur mit dem Herzen gut“
aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry

Musik ist jene Kunstform, die für blinde und sehbehinderte Menschen am unmittelbarsten zugänglich ist. Das liegt vor allem daran, dass sich aufgrund des fehlenden Sehsinns die seelische Aufmerksamkeit stärker dem Gehörsinn zuwendet, wodurch dieser umso stärker geschult und ausgeprägt wird als bei Sehenden. In der musikalischen Welt ist dies ein großer Vorteil und nicht selten haben Blinde in der Vergangenheit die Musik zu Ihrem Beruf gemacht.

An unserer Klavierschule bieten wir sehbehinderten und blinden Schülern seit 2022 speziell auf diese Zielgruppe ausgerichteten Klavierunterricht an. In diesem spielt zum einen das Improvisieren und Klavierspielen nach dem Gehör und zum anderen das Erlernen der Braille-Notenschrift, eine speziell für Blinde entwickelte international anerkannte Notenschrift, eine zentrale Rolle.

Die Braille-Musikschrift: Mit den Fingern Noten lesen und Klavier spielen

1828 entwarf Louis Braille eine musikalische Notation, die es Sehbehinderten und Blinden ermöglicht die komplette Notenschrift zu erfassen und zu verstehen. Die Braille-Notenschrift besteht ebenso wie die Brailleschrift aus einem Sechspunktesystem, welches durch die Finger ertastet werden kann. Von den jeweils sechs Punkten geben die oberen vier Punkte die Tonhöhe und die unteren beiden Punkte den Notenwert an. Jede Note und jedes Musikzeichen wird durch eine unterschiedliche Kombination der sechs Punkte abgebildet.

Doch nicht nur das Lesen der Noten ist mit dieser Schrift möglich. Auch das Komponieren und Schreiben der Noten ist mit speziell entwickelten Programmen wie dem Braille Music Editor möglich. Die Braille-Musikschrift öffnet Sehbehinderten und Blinden die Türen zur kompletten Musikliteratur, denn das System ist uneingeschränkt gültig und international anerkannt. Beispielsweise können in der Blindenbücherei des Deutschen Zentrums für barrierefreies Lesen über 6200 Notentitel in Brailleschrift ausgeliehen werden.

Bettye Krolick, welche im nachfolgenden Video auf Englisch die Grundzüge der Braille-Notenschrift erklärt, gibt in Ihrem Buch „New International Manual of Braille Music Notation“ einen Überblick über die Braille-Musikschrift. Unter nachfolgendem Link können Sie ihr Standardwerk aufrufen und einen Eindruck gewinnen:

http://www.brl.org/music/manual/

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Sehbehinderte Schüler*innen im fortgeschrittenen Lernstadium können mittels der Braille-Musikschrift selbst schwierigere Stücke erlernen und eventuell auf ein Studium der Musik vorbereitet werden. Für ein Studium an einer Hochschule für Musik ist es für sehbehinderte Musikstudenten unumgänglich die Braille-Notenschrift gut zu beherrschen, denn sowohl in den theoretischen Fächern wie Gehörbildung, Tonsatz, Analyse, Musiktheorie oder Komposition als auch im praktischen Studium des Hauptinstruments benötigt man diese.
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Klavier lernen Punkt für Punkt

„Klavier lernen Punkt für Punkt“ ist eine von dem Klavierpädagogen Martin H. Rembeck entwickelte Klavierschule, welche sowohl von Sehenden als auch von Blinden und Sehbehinderten verwendet werden kann. Es können mit ihr sowohl blinde Schüler von sehenden Klavierlehrern als auch sehende Schüler von blinden Klavierlehrern unterrichtet werden. Die Klavierschule existiert daher sowohl in einer Punktnotenausgabe als auch in einer Schwarzschriftausgabe (Schrift für Sehende). Die Verwendung dieser Klavierschule stellt eine große Erleichterung dar. Trotzdem bleiben pädagogische Anforderungen an die Lehrkraft, welche durch das Lehrwerk alleine nicht abgedeckt werden können. Beispielsweise muss die richtige Handhaltung beim Klavierspielen nach verbaler Einleitung über das Betasten der Hände vermittelt werden. Darüber hinaus benötigt man gezielte Übungen für Positionswechsel und Sprünge der Hände.

Klavierunterricht bei dem Pianisten Edvin Duric

An unserer Klavierschule unterrichtet der sehbehinderte Pianist Edvin Duric, welcher die Braille-Notenschrift selbst bereits in jungem Alter erlernt hat. In seinem Klavierunterricht vermittelt er diese und entwickelt gemeinsam mit seinen Schüler*innen an ihren jeweiligen Lernstand angepasste Musikstücke. Anregungen der Schüler*innen und Melodievorschläge sind dabei ausdrücklich erwünscht. Die Schulung des Gehörs steht bei jedem Lernschritt im Vordergrund und von Beginn an wird gemeinsam improvisiert, wodurch der Lernspaß gefördert wird. 

Edvin Duric ist diplomierter Pianist, der ein komplettes Klavier und Musikwissenschaftsstudium abgeschlossen hat. Er unterrichtet sowohl blinde und sehbehinderte als auch sehende Klavierschüler. Sein Unterricht kann auf Deutsch, Italienisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch, Englisch, Französisch und Spanisch durchgeführt werden. Seinen kompletten Lebenslauf finden Sie hier.

Pianist und Klavierlehrer Edvin Duric

Das Ausnahmetalent Nobuyuki Tsujii

Zu welch unglaublichen Leistungen es sehbehinderte Pianisten bringen können, zeigt unter anderem das große Talent Nobuyuki Tsujii, welcher auch die schwerste Klavierliteratur mit Bravour bezwingt. Im nachfolgenden Stück „La Campanella“ von Liszt/Paganini wird deutlich, dass auch schnelle, große Sprünge und Positionswechsel der Hände am Klavier für ihn kein Problem darstellen.
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Art Tatum: Der Gott des Jazz-Pianos

Auch in der Jazz-Szene gab es großartige, sehbehinderte Pianisten wie beispielsweise Art Tatum. Am bekanntesten ist von ihm wohl seine Version von Vincent Youmans „Tea for Two“. Obwohl er sich das Klavierspielen hauptsächlich autodidaktisch beibrachte erlernte auch er später an der Toledo School of Music die Braille-Notenschrift.
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Die Probestunde ist kostenlos.

Wir antworten in der Regel innerhalb von 48 Stunden.

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